30.03.2012

gesetz gegen die "propaganda von homosexualität"

mit dem heutigen tag tritt in st.petersburg ein international umstrittenes gesetz in kraft, dass die "propaganda von homosexualität unter minderjährigen" unter strafe stellt und dabei jegliche form von nicht-konventionellen partnerschaften in einem atemzug mit pädophilie nennt.

kritikerInnen befürchten, dass das schwammig formulierte gesetz dazu genutzt wird, jegliche (neutrale / positive) öffentliche äußerung über homosexualitaet zu verbieten und damit völlig aus dem öffentlichen leben zu verdrängen. als ein zeichen von protest wird zu einem tourismusboykott von petersburg aufgerufen.
 

schwieriges thema. ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich auswirkungen haben kann. ein fall, der vielleicht etwas bewirken oder zumindest staub aufwirbeln könnte, ist der von madonna, die im august einen auftritt in st.petersburg plant und von der russisch/us-amerikanische journalistin masha gessen dazu aufgerufen wurde, sich dem boykott der stadt anzuschließen. in einer reaktion meinte madonna, dass sie die show nicht absagen, sich aber für die rechte von sexuellen minderheiten aussprechen werde...ganz schön schwach von dem material girl.



wie die standard heute berichtet, soll ein ähnliches gesetzt auch landesweit umgesetzt werden.
das traurige ist, dass eine solches gesetzt durchaus von einer mehrheit der russInnen unterstützt werden würde. auf diesem plakat, das dank neil's britischem humor in unserer küche haengt, lässt sich ablesen, mit wem junge russInnen nicht befreundet sein wollen. "vertreterInnen sexueller minderheiten" sind in etwa so beliebt wie ehemalige kriminelle oder die sogenannten "gopniks". die gespräche mit seinen studentInnen würden die studie übrigens bestätigen, so mein nachbar, der an einer uni englisch unterrichtet. homophobie ist hier tatsächlich, und zwar auch unter leuten, von denen man es nicht erwarten würde, weit verbreitet. so auch mein erfahrungswert...


mehr infos auf der seite der saint petersburg times:
www.sptimes.ru

und hier
http://allout.org/en/actions/stpetersburg-dont-go

29.03.2012

russische rätsel

warum legen russInnen so viel wert auf saubere schuhe - beweisen lässt sich das ganz leicht mit einem bodennahen rundumblick in der metro - aber fahren derartig dreckige autos, dass man sich allein beim hinschauen schmutzig macht?


und während es in einer stadt wie dieser gleichermaßen schwierig ist, das eine wie das andere straßenexponierte objekt sauber zu halten, werden ungeputze schuhe verächtlich als spiegel der  unordentlichen trägerInnenseele gewertet, aber die fahrerInnen der versauten karosserien weit milder bewertet: was soll man da machen, wenn's so dreckig ist in der stadt, da lohnt sich doch die autowäsche nicht.
erkläre mir einer diese logik. das petersburger straßendreckparadox; bloß ein weiteres rätsel, das mir die russenheit aufgegeben hat.

26.03.2012

ein wässerchen zum sonntag

neulich an einem sonntag mit ira bei ihrer freundin mascha und deren mutter vera michailovna. eigentlich sind wir nur gekommen, um alte sachen für einen charity-flohmarkt abzuholen, geblieben sind wir aber auf ein nachmittägliches festmahl aus gekochten kartoffeln, hering, sauerkraut, eingelegten gürkchen,  marinierten pilzen, schwarzbrot und danach kompott. und dazu gab es drei gepflegte gläschen wodka, die man nicht nach, sondern während dem essen trinkt. und das in guter gesellschaft.





und obwohl sonst kein fan von nationalen mentalitäts-klischees, so muss ich ira doch recht geben, dass ich an diesem nachmittag die russische gastfreundschaft kennengelernt habe. womit sonst lässt sich erklären, dass ein mensch, den du zum ersten mal in deinem leben triffst, dich nicht nur aufs allerköstliches verköstigt, sondern dir auch noch ein wirklich schönes wörterbuch schenkt und obendrein verspricht, dir bis zum morgigen tag gestrickte schühchen ("tapotschki") anzufertigen? oh, oh, oh, spasibo bolschoje!




24.03.2012

arme felge

so sehr ich mich oft nach einem "marschrutnoje taksi" sehne (merke, die marschrutka kommt dann nicht, wenn man sie am dringlichsten herbeiwünscht) - manchmal ist es besser, darauf zu verzichten. nämlich dann, wenn der fahrer so dreist mit plattem reifen dahinfährt, wie dieser hier es tut. scheinbar unbeindruckt von seiner fahruntauglichkeit und gerade so langsam, dass ich die kamera zücken konnte, ist dieser felgenschänder neulich mit vollbesetztem wagen am ufer der gribojedov kanals entlanggeschliffen.

23.03.2012

timing


 auf meinem weg zur uni ist mir aufgefallen, dass aus irgendeinem grund auf der gorochavaja uliza alle uhren stillzustehen scheinen.

das beginnt mit der quadratischen uhr klassischen designs an der ecke kazanskaja uliza, die unabhängig von tages- und nachtzeit beharrlich 12:55 anzeigt.
etwa vierhundert meter weiter, ecke sadovaja uliza, findet sich ein laden mit dem nicht gerade bescheiden dimensionierten firmen-schild "die russische uhr".








selbige steht seit jahr und tag auf 14:10 und ist nicht sonderlich hilfreich, wenn ich wieder mal beschleunigten schrittes die gorochavaja uliza entlang richtung uni haste, mich alle paar minuten umdrehend, um zu sehen, ob nicht doch eine marschrutka des weges kommt. genau wie die beiden ungetakteten uhren folgen auch die innerstädtischen minibusse keinem fixen regime und so bleibt einem nichts anderes übrig, als zähneknirschend deren ungewisse ankunft abzuwarten oder aber zu laufen und zwischenzeitlich halbelegante pirouetten einzulegen, um der von hinten herannahenden marschrutka im fall des falles ein handzeichen geben zu können.


so gestaltet sich mein weg zur uni durchwegs adrenalinhaltig - lauf, keuch - drehen, spähen, weitergehen.



der uhren-"remont" eine straße weiter hat bisher weder den beiden unnützen zeitmesserinnen noch mir zu mehr pünktlichkeit verholfen.

22.03.2012

/x/ello to the /x/ills

privjet, dorogie moi!
ein privjet, das schon nicht mehr aus dem krankenbett kommt, welches ich bereits vor geraumer zeit vorgezogen habe zu räumen. genauer gesagt hat mich julia bereits am wochenende mit einem herz- und nierenerwärmenden flambierten sambuca zurück zu den lebenden geholt. die julia, die soeben die aufnahmeprüfung für die fh steyr geschafft hat - oh, die welt ist klein, meine petersburger freundin kommt nach österreich - julik, ty molodez, kak soljonij ogurez! (gut gemacht/ein prachtkerl, wie eine salzgurke!)

ich kann berichten, dass sich hier in piter mittlerweile eine möglichkeit gefunden hat, meine herrliche singstimme zu erheben. tatsächlich hat die möglichkeit mich gefunden: eine unifreundin hat auf meiner vkontakte-seite (das russische facebook) ein bild vom wiener subchor entdeckt und mich daraufhin zu ihrem kleinen, feinen chörchen eingeladen, der von der professionellen hand einer angehenden dirigentin geleitet wird. die liedauswahl ist etwas wild, диковато, gospel, ukrainische volkslieder und - the sound of music! wär hätte gedacht, dass ich in der nördlichen hauptstadt russlands die österreichischen alpen besingen würde - und das mit russischem akzent - the /x/ills are alive!

 auf der neva schmilzt das eis, langsam, langsam.

14.03.2012

kascha im kopf

das märzenkalb hat mich erwischt, und das bei tristen temperaturen um die null grad samt schneegatsch und -regen. die ohnehin selten vorhandene märzsonne ist nicht die schuldige; wohl eher war's das leichtfertig frühzeitige abwerfen des  lammfellmantels, der mich bis dato vor rauhem wind und wetter geschützt hat. aber kann man mir wirklich einen vorwurf machen, dass ich nach zwei langen wintermonaten nicht mehr in einem fünf kilo schweren omabehang mit dezentem mottenkugelodeur durch die straßen wanken wollte, durch die zumindest ab und dann bereits ein hauch von frühling weht?

und dabei wollte ich erst neulich meine "железное здоровье", meine "eiserne gesundheit" loben, die mich bisher frei von krankeiten, seuchen und anderen unglücken durch die monate gebracht hat; im gegesatz zu einer armen unikollegin, die auf das leitungswasser hier allergisch reagiert oder dem unglücklichen neil, der nach einem sturz beim eislaufen 300 euro in der amerikanischen klinik lassen musste, damit seine platzwunde versorgt wurde.


nun ist es also soweit, mein kopf fühlt sich an wie matsch und auch sonst ist es mit mir nicht zum besten bestellt. ich versuche diesem unerfreulichen zustand mit einer erhöhten dosis an vitamin C beizukommen, das ich aus massenweise weißkohl gewinne (eines der wenigen wirklich erschwinglichen produkte hier, die zwei-kilo-kugel lässt sich für nur 50 cent erstehen). des weiteren vertraue ich auf die wirkung von grippostad, dessen nicht geringer koffeingehalt mich diese zeilen verfassen lässt.
 
 

каша в голове - kascha v golove - brei im kopf. eine schöne russische redewendung, mit der sich mein vorfrühlingshafter pre-primavera krankenstand gut beschreiben lässt.


wenn man dem gesicht der kascha-haferflocken, natalja viktorovna ovsjankina, glauben schenken darf, dann enthält ihr lieblingsfrühstücksbrei alle nötigen vitame, um mich wieder auf die beine zu bringen. und nicht nur das: "auch die figur nimmt die gewünschten konturen an. und mein mann bemerkt das - "heitere sonne" nennt er mich!".

für heute schließe ich die krankenakte, mit kascha im kopf und kascha im bauch.

12.03.2012

streetlife

liebe konz, ob die hiesigen straßenhunde tatsächlich in der lage sind, die u-bahn zu benutzen und sogar wissen, an welcher station sie aussteigen müssen, kann ich noch immer nicht bestätigen. mit sicherheit lässt sich aber sagen, dass die zivilsationsangepassten streuner wie selbstverständlich die verkehrsregeln befolgen. der beweis in bildern:




09.03.2012

den "lieben" frauen zum 8.märz

seltsam, dass gerade im ex-sozialistischen russland der achte märz so völlig entpolitisiert ist. im wesentlich bestehen die feierlichkeiten darin, dass in büros und firmen alle weiblichen mitarbeiterinnen am vorabend zum 8.märz (ein arbeitsfreier feiertag) mit blumen, champagner und wein beschenkt werden. das ganze kommt mir wie eine mischung aus valentins- und muttertag vor, der zusätzlich noch als eine art frühlingsfest angesehen wird.

hier wird den "lieben frauen" zum feiertag gratuliert.

vor der kazaner kathedrale prügeln sich menschen um herzförmige gratis-schirme. aus lautsprechern schallen liebeserklärungen über den platz, die passantInnen in ein mikro sprechen oder schreien, je nach emotionalem zustand.

und auch ich bin nicht leer ausgegangen an diesem sinnentleertesten aller russischen feiertage.

neil hat mich mit einer flasche champagner und dieser schönen karte beglückt, ein freundlicher älterer herr hat julia und mir auf der straße mit den worten "dewuschki, s prazdnikom" gratuliert und ich wurde von meinem bekannten wolodja auf zwei gläser weißwein eingeladen. so durfte ich mich meiner geschlechtszugehörigkeit unverdienterweise geehrt und in die gesellschaft integriert fühlen.

blau in blau...

...ist die karte der russischen föderation nach den präsidentschaftswahlen vom letzten sonntag - geblieben.

screenshot: interaktive karte auf gazeta.ru

putin wurde also, wenig überraschend, wiedergewählt, sein offizielles wahlergebnis liegt bei 63,82% der abgegebenen stimmen, in manchen regionen, wie tschetschenien waren es bis zu schwindligen 99%. die wahl wurde von der osce  als "nicht fair" eingestuft. es wurden wieder tausende verstöße gegen das wahlrecht registriert und im internet auf einer karte dokumentiert
ein experte der organisation "golos" geht davon aus, dass putin ohne den wahlbetrug mit etwas bescheideneren 57,5% in der ersten runde gewonnen hätte. und selbst dieses resultat wäre, meiner meinung nach,  noch immer entfernt von dem einer fairen wahl, da die ausgangsbedingungen mit staatlich gesteuerten massenmedien und der nichtzulassung von oppositionellen kandidaten zur wahl keine demokratischen sind.

das ist auch der grund, warum am montag nach den wahlen in moskau und in petersburg wieder demonstrationen "für faire wahlen" stattfanden. das "miting" in petersburg wurde nicht genehmigt, etwa 300 teilnehmerInnen wurden festgenommen.

vergangenen montag vor der isaakskathedrale

seither gab es keine proteste mehr, für das kommende wochenende sind in moskau aber wieder welche angesagt. der großteil der leute ist davon unberührt. viele meiner bekannten sind erst gar nicht zur wahl gegangen; entweder, weil sie sich über den ausgang bereits sicher waren, in eine andere stadt oder ans andere ende der stadt fahren hätten müssen, um zu wählen (wer hier wo und wie registriert ist, ist ein eigenenes kapitel russischer bürokratie) und/oder für keinen der kandidaten ihre stimme abgeben wollten.

04.03.2012

keine wahl


rückblick oder ausblick auf die nächsten 12(!) jahre? eine wahl mit vier chancenlosen gegenkandidaten.

03.03.2012

nach februar kommt märz


es taut, es taut, die eisschicht auf den kanälen schwindet, wird gelblich und brüchig und dann neuerlich von schneeregen zugedeckt. ein schneematschgemisch auf den straßen und gehsteigen, aus den regenrinnenrüsseln  lösen sich polternd eisklumpen und von den dächern fallen schmatzend nasse schneebrocken. frühling! und ab und dann scheint noch die wintersonne und bringt das sonnenblumenöl in der küche zum leuchten.




 was tun in diesem nassen "nepogoda" - "nichtwetter"? in der vergangenen woche war ich dreimal im kino, einmal "faust" von alexander sokurow (ufff....) und zweimal die "shapito-show" (yes). vormittags kann man hier um die hälfte günstiger ins kino gehen, was sich sehr gut mit meinem stundenplan verbinden lässt, der mich frühestens um vier uhr nachmittags auf die uni schickt.

bei den vormittagsvorstellungen ist man im dom kino beinahe alleine.

die uni hat wieder begonnen, wie schon im letzten semester in behaglichem tempo. fünf mal die woche jeweils drei stunden bin ich planmäßig dort zu finden, hälfte-hälfte pädagogik- und sprachkurse. das ist eine recht annehmbar angenehme menge an uni, will ich meinen. 
meine herausforderungen suche ich mir derweilen woanders: zum einen habe ich das perfekte tandem gefunden, sprich eine russin - lera, mit der ich deutsch lerne und vice versa sie mit mir russisch. unser sprachniveau ist ähnlich, interessen und humor ebenso, as well as the will (to survive) and succeed. 
mein zweiter lernaustausch gestaltet sich etwas anderes: zweimal wöchentlich treffe ich meine professorin larissa alexandrowna, ihres zeichens spezialistin für russische poesie und, hurra, fremdsprachendidaktik. einfach luxuriös ist das, mit so einem menschen puschkins winter-trilogie  durchzuarbeiten! im gegenzug biete ich mein selbsterstelltes programm "deutsch parlieren in 6 wochen", da larissa alexandrowna im april auf eine konferenz in deutschland fährt.
beides ist gleichermaßen herausfordernd - erkläre auf die schnelle den unterschied zwischen sache und ding, oder: wie macht man ein "ee", wie in schnee, oh weh und tee, wenn die andere person diesen laut nicht aussprechen kann.


chinesische lampions über der neva. sind nach der uni zufällig auf ein charity-event gestoßen. oooh...krasota.