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25.05.2012

die hochzeit

 also, endlich mal ins theater.

und nicht in irgendeines! das alexandrinskij muss es sein.

dort hat man ein herz für besucherInnen mit kleinen geldbeuteln und dazu einen ausgeprägten sinn für ordnung. unter denen, die auf den schlechten rängen sitzen, werden nach dem zweiten läuten „einladungen“ für die freien plätze im porter verteilt. hat man eine solche ergattert, heißt es die beine in die hand nehmen und die vier stockwerke hinunterstürzen, denn nach dem dritten läuten gibt es keinen einlass mehr. gnadenlos. er ist wirklich groß, dieser ordnungssinn.


 so ein schönes, dickes stück papier, mit genauer platzangabe, unterzeichnet vom administrator des hauses persönlich.

so bin ich um nur wenige kopejken an einen tollen platz gelangt. zur linken die bühne, zur rechten die (unbesetzte) kaiserloge, die der zar bei der uraufführung eben dieses stückes, gogol’s „hochzeit“ 1842 schon während des ersten akts verlassen hat.

 ich bin geblieben, denn mir gefallen gogol’s hang zum absurden, sein spitzer humor und die sozialkritischen anklänge. und natürlich die „poschlost“ seiner figuren. was das ist, lassen wir am besten wladimir nabokov erklären: „bei nochmaligem nachdenken will es mir vorteilhafter erscheinen, dieses fette untier von einem wort englisch als postlust zu transliteriere – was den matten ton des zweiten, unbetonten o besser wiedergibt. das erste o dagegen ist so groß wie der platsch eines in einen schlammigen teich fallenden elefanten und so rund wie der busen einer badeschönheit auf einer deutschen ansichtskarte. englische wörter, die einige, keinesweg aber alle aspekte von postlost ausdrücken, sind beispielsweise: cheap (billig), sham (unecht, falsch), common (gemein), smutty (seimig), pink-and-blue (rosarot und himmelblau, kitschig), high falutin (hochgestochen), in bad taste (geschmacklos).“


der poschlost ebenfalls nicht abgeneigt, lache ich beim nachhausegehen gerne über das brautmodengeschäft, gleich neben dem erotikwäscheladen. vermutlich haben die beiden denselben besitzer; die spezialisierung „frauen verkleiden“ ist ja die gleiche. was wohl gogol dazu gesagt hätte?


22.11.2011

übersetzungsstück

endlich online. ich freue mich über eure kommentare.

 
"Übersetzungsstück mit drei Stimmen"
ist eine Audiokomposition, zusammengesetzt aus drei Interview-Mitschnitten.

Aminath K. und Jana S. sprechen über zwei Gedichte, die sie selbst aus dem Russischen ins Deutsche übertragen haben. Die Gedichte haben für sie persönlich eine Bedeutung, die sie auch ihrem neuen kulturellen und sprachlichen Umfeld vermitteln wollten. Michaela L., die Russisch unterrichtet, kommentiert die Übersetzungen. Es entsteht ein Polylog zwischen drei Frauen, die sich nie begegnet sind, und zwei Gedichten, die einander entgegengesetzte Vorstellungen von Schicksal enthalten.
In der rhythmisierten Verwebung von Worten und Sätzen spiegelt die Komposition Inhalt und Form der Gedichte und den Vorgang des Übersetzens wider. Der Aufbau des Stücks verweist auf Wiederholung als maßgebliches Prinzip für die Verankerung kulturellen Erbes in der eigenen Identität.
Es geht um die Frage, wie Menschen, die sich zwischen Sprachen bewegen, mit den Schwierigkeiten und der Unmöglichkeit von Übersetzung umgehen. Denn in Klang, Rhythmus, Melodie, Wort und Struktur gleicht keine Sprache der anderen. 



Der Wunsch
Übersetzungen zu lesen oder anzufertigen
Wenn mich etwas fasziniert
berührt
möchte ich es mit Leuten teilen
und das kann ich nur
wenn sie meinen Code verstehen
und wenn sie meinen Code nicht verstehen
muss ich es in einen anderen Code übertragen
 Aus: Gespräch mit Jana S., am 14.11.2010.
Jana S. ist in Russland geboren und lebt seit ihrer Kindheit in Deutschland.

 
Der Klang
der Klang klingt
auch, wenn ich eine Sprache überhaupt nicht verstehe
Aus: Gespräch mit Michaela L., am 30.06.2010
Michaela L. unterrichtet Russisch als Fremdsprache.


Außerdem ist der Reim wichtig
Bei der Übersetzung ins Deutsche
ist es schwierig, die Reime zu treffen
Aus: Gespräch mit Aminat K., am 03.10.2010
Aminat K. kommt aus Tschetschenien und lebt seit 2005 in Österreich.




*Die drei Gespräche wurden unabhängig voneinander geführt - die Sprecherinnen wurden erst durch diese Arbeit in Beziehung zu einander gesetzt.















  

Скатертью, скатертью
    дальный путь стелется
    и упирается
    прямо в небосклон
    каждому, каждому
    в лучшее верится
    катится, катится
    голубой вагон

    Einem langen Tischtuch gleich
    breitet sich der Weg aus
    und stößt ganz hinten an
    direkt am Horizont
    und ein jeder unter uns
    glaubt an das Bessere
    und indessen rollt und rollt
    der hellblaue Waggon

Text: A. Timofejevskij
Übersetzung vom Russischen ins Deutsche von Jana S.
Bild aus dem Zeichentrickfilm Schapokljak.



 















    
Я в путь пойду
    пусть злится ветер грозный
    Я в путь пойду
    на встречу бурю грозной

    Ich gehe den Weg
    trotz dem boshaft Wind schrecklich
    Ich gehe den Weg
    entgegen Sturm schrecklich


Gedicht: Raisa Akhmatova
Übersetzung vom Russischen ins Deutsche von Aminat K.
Zeichnung von Aminat K.





14.11.2011

weekend in action


was für ein wochenende! begonnen hat es eigentlich schon am donnerstag abend, julia und ich auf ein bier oder zwei im loft projekt etagi am ligovskij prospekt. ein sehr schöner, megahipper ort mit ausstellungsräumen, cafe usw. und einer terasse, auf der es sich im sommer bestimmt fein sitzen lässt.
am samstag gab es vom deutsch-russischen austausch eine veranstaltung zur gestaltung von stadtführungen. dazu wurde ein russischer professor eingeladen, der in moskau, petersburg, nyc und rom stadtführungen mit architektur-schwerpunkt namens velonight veranstaltet. das sind ziemliche events sein, bei denen tausende von leuten nachts mit dem rad durch die straßen fahren und per radio infos zu den besuchten orten erhalten.



das logo der velonotte roma - gefällt mir sehr gut!


samstag abend hab auch ich mich noch auf eine nächtliche stadttour begeben. ein neuer bekannter von der uni hat mich auf ein getränk in einer art russischen KFC eingeladen und danach sind wir noch mit seinen freunden durchs nächtliche petersburg zu den wohnhäusern der dichter daniil charms und iossif brodskij spaziert. die majakovskaja uliza entlang, gespräche über literatur. wiedermal hat sich bestätigt, was meine russischprofessorin stets prophezeit hat, nämlich, dass sämtliche russInnen sämtliche gedichte auswendig können, alle bücher gelesen und alle filme gesehen haben. und nichts weniger von ihrem gegenüber erwarten...vor dem haus von daniil charms gab es dann eine spontan-rezitation, das war ganz wunderbar.

am sonntag noch eine interessante veranstaltung: der "3. intellektuelle flohmarkt - worte & sachen" im zentrum für junge forschung. im programm: vorträge zum thema "revolution in der stadt", ein bücherflohmarkt, eine fotoausstellung, ein workshop zu "revolutionärem hand-made", fotoecke mit einer michel-foucault-puppe und der bau einer blockade. das nenne ich eine unterhaltsame heransgehensweise ans thema!


gestern abend noch ein klassisches ballett im rimskij-korsakov konservatorium bei uns um die ecke. gezeigt wurde das stück "giselle". großes, klassisches ballett mit allem, was dazu gehört. was für ein fantastischer kostümschinken!

07.11.2011

call it a weekend

am samstag waren meine 80er rock'roll helden "bravo" im klub kosmonavt zu sehen. julia rublov, ich hab an dich gedacht - und an deine eltern, denen wir unsere bekanntschaft mit der band verdanken.


es war großartig!  die leute waren so beigeistert, dass sie schon vor beginn des konzerts jeden bühnenmitarbeiter mit frenetischem applaus empfangen haben. natürlich mussten die band dann alle großen hits spielen und das publikum hat jedes wort mitgesungen - da habe auch ich keine ausnahme gemacht. alles war dabei, von schnulzigen e-gitarren-solos bis zu funky bläsereinlagen und auch mit der guten alten schweine-terz wurde nicht gespart (ein halbton höher geht noch!). die betagten herrschaften waren erstaunlich frisch unterwegs, der gefürchtete rolling-stones effekt ist ausgeblieben.

auch neil war in höhstem maße angetan von dem uns gebotenen. war sehr fein, wiedermal gemeinsam feiern zu gehen mit dear old neiltschik, nachdem wir uns mit "bliny" (pfannkuchen/palatschinken) gestärkt hatten. das hiesige äquivalent zum würstelstand ist nämlich die bliny-hütte, an der man fettige fladen mit allen denkbaren füllungen bekommt.







außerdem gab es zwei treffen mit der gruppe vom deutsch-russischen austausch. wir haben uns das "puschkinskaja 10"-haus angesehen. ehemals ein besetztes haus, das mittlerweile ein gut etabliertes kulturzentrum ist.

 

vielleicht ist es noch erwähnenswert, dass sich in dem zentrum auch eine pilgerstätte für beatle-fans befindet, betrieben von einem freundlichen älteren herren, der in seiner räucherstäbchenhöhle eine von john lenon handsignierte platte und andere schätze hütet. von hier aus wird seine mission, in st.petersburg einen john-lenon-tempel "of love and peace" zu errichten, vorangetrieben. davon gibt es bereits ein modell aus ton (schwer zu entdecken in der bildmitte), das er wie zur bekräftigung seines vorhabens immer wieder auf der töpferscheibe rotieren lässt.



beatles gut, alles gut.


gestern sonntag habe ich mich wieder mal zum friseur gewagt, nicht ohne diesmal das nötige vokabular (haupthaar, hinterkopf, locken, koteletten) parat zu halten. ohne auswirkungen auf das resultat, die freundliche, aber entschieden schnippelnde dame hat mir mein krausehaar gnadenlos ausgeföhnt und mir entgegen meiner instruktionen eine frisur verpasst, die sie "im katalog von tony&guy" gesehen hat. ich hätte heulen können (und das hab ich, ehrlich gesagt, auf der straße dann auch), weniger aus eitelkeit, als aus verzweiflung über mein sprachliches unvermögen mit der situation klarzukommen. bin insgesamt etwas deprimiert bin über mein radebrechendes russisch, das sich überhaupt nicht zu verbessern scheint, trotz tandem und vokabeloffensive. an tagen wie gestern hab ich das einfach satt.

das war einmal. the mob is gone.

21.09.2011

neue kunst & alte drachen

habe gestern einen weiteren teil des festivals für zeitgenössische kunst in traditionellen museen angesehen. das gute an dem programm ist, dass man in museen gerät, in die man normalerweise nicht gehen würde. auf diese weise habe ich dem museum für kommunikation einen besuch abgestattet, in dem man immerhin eine sputnik und zahllose retro-fernsehgeräte bewundern kann.

das interessanteste an dem besuch war allerdings der "clash of cultures", den das programm dem namen nach ja auch herbeiführen will.
ich spaziere also durch das museum, auf der suche nach zeitgenössischer kunst. nichts zu sehen. also wende ich mich an eine der alten ladies, die sich hier ihr zubrötchen als aufpasserinnen verdienen und von denen mindestens eine in jedem raum zu finden ist.
es folgt ein beeindruckender redeschwall, von dem ich bestimmt nicht alles verstanden habe, aber dessen message klar war: das unnütze zeug wurde weggeräumt! und überhaupt, unverständlich, was die jungen künstlerInnen da hingestellt haben! meine nachfrage, ob das festival nicht noch einen ganzen monat dauern würde, hat eine ähnliche leier ausgelöst.
das gute daran: jetzt verstehe ich endlich das logo des festivals!


ein schlechtes foto, aber erkennbar, wer gemeint ist.

das museum selbst ist ein sehr hübscher palazzo aus dem 18.jahrhundert.

hier noch die sputnik und unten eine im hof verbliebenen, raumspezifische installation des festivals. auf die hatten die damen entweder keinen zugriff oder sie haben sie nicht entdeckt.